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Nudging – oder: der sanfte „Stups“ zu einem gesünderen Lebensstil

Inhaltsverzeichnis

Was versteht man unter „Nudging“?
Nudging in der Gesundheitspolitik
Fazit

Was versteht man unter „Nudging“?

Jeder, der sein Verhalten ändern- oder lange gehegte Gewohnheiten durchbrechen will, merkt schnell, wie schwer das ist. Das Wissen allein, dass Junkfood und Stubenhockerei schlecht für das Herz sind und der Plastikmüll zunehmend die Weltmeere verschmutzt, genügt oftmals nicht. In den meisten Fällen benötigt es weitere Anreize für eine langfristige Verhaltensänderung.

Dies soll mit Hilfe des sogenannten Nudge-Ansatzes gelingen. Wörtlich übersetzt bedeutet Nudging „(an)-stupsen“ – jemand wird gezielt mit kleinen Reizen aus der Umgebung angestupst und dadurch zu einer bestimmten Verhaltensweise oder Verhaltensänderung gelenkt. Konkret basiert das Nudging auf dem Grundprinzip der Beeinflussung von Entscheidungsprozessen durch die gezielte Gestaltung von Umgebungsfaktoren. Dabei stehen jedoch weder Verhaltensvorschriften, Verbote oder gar Zwang im Vordergrund, sondern die Idee der motivierenden Steuerung. Das Individuum behält die Wahlfreiheit, eigene Entscheidungen zu treffen.

Entscheidend für ein erfolgreiches Nudging ist somit die Berücksichtigung aller materiellen und immateriellen Aspekte einer Umgebung, die in einem bestimmten Moment Einfluss auf eine Entscheidung haben könnten. Dazu zählen alle Aspekte, die jegliche Entscheidungen regelmäßig und vorhersehbar beeinflussen, ohne dabei bestimmte Handlungsoptionen durch Vorschriften oder Gesetze vorzuschreiben. Der Nudging-Ansatz zielt dabei vorwiegend auf die Beeinflussung unseres automatischen, unbewussten und schnellen Denksystems ab, welches bei unseren zahlreichen Alltagsentscheidungen zum Einsatz kommt und weniger auf das bewusste, reflektierende und langsamere System.

Nudging kann somit verstanden werden als eine Methode zur unbewussten und sanften Steuerung und Lenkung hin zu (positiven) Verhaltensänderungen und der Beeinflussung von Entscheidungsprozessen in verschiedenen Lebensbereichen.

Kettenreaktion

Nudging in der Gesundheitspolitik

Was bedeutet Nudging im Hinblick auf unsere Gesundheit? Der Nudge-Ansatz hat seinen Ursprung in der Verhaltensökonomik und Psychologie und hält seit mehreren Jahren Einzug in verschiedene Lebensbereiche, so auch in die Gesundheitspolitik. Im Bereich des Marketings setzt man schon länger auf die Tricks des Nudgings zur Verkaufsförderung. Dabei wird dem selbstoptimierenden Verbraucher keine konkrete Entscheidung für ein bestimmtes Produkt vorgegeben, sondern es werden lediglich hilfreiche Informationen (Nudges) geboten, die zur Orientierung des Kunden bei seiner freien Kaufentscheidung dienen. Die Nudges lenken dadurch unterschwellig die Aufmerksamkeit des Kunden hin zu einem bestimmten Produkt und beeinflussen die anschließende Kaufentscheidung.

Im Bereich der Prävention wird zwischen verhaltenspräventiven und verhältnispräventiven Ansätzen unterschieden. Nudging zielt auf eine Veränderung der Entscheidungsarchitektur, das heißt der Umgebungsfaktoren und lässt sich deshalb eher der Verhältnisprävention zuordnen. Durch Veränderungen der externen Faktoren werden die automatischen, unbewussten Entscheidungsprozesse in die gewünschte Richtung gelenkt.

Doch wie gestaltet sich das Nudging im Kontext der Primärprävention und der Gesundheitsförderung konkret? Im Bereich der gesunden Ernährung sind verschiedene Strategien denkbar. So können in einer Kantine beispielsweise die gesünderen Lebensmittel/Gerichte leichter zugänglich platziert werden. Dadurch ist die Auswahl der ungesünderen Lebensmittel mit einem höheren Aufwand verbunden und man bevorzugt im Hinblick auf die Kürze der Mittagspause vielleicht doch das gesündere Gericht. Eine andere Variante ist die Platzierung von gesünderen Gerichten entweder am oberen oder am unteren Ende in einer Speisekarte. In Experimenten konnte dadurch eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Auswahl der gesünderen Gerichte beobachtet werden. Auch eine optische Kategorisierung von Nahrungsmitteln in „gut“ oder „böse“ (viel Zucker, Salz, Fett) durch ein Ampelsystem kann neue Impulse für eine bewusstere Lebensmittelwahl schaffen.

Wichtig: Die Entscheidungsfreiheit des Individuums wird bei diesen Methoden nicht eingeschränkt. Die ungesünderen Lebensmittel bleiben weiterhin im Angebot und können theoretisch gewählt werden.

Das verdeutlicht den Unterschied zur normativen Idee, die sich auf Vorschriften, Verbote oder Zwänge stützt: der Nudging-Ansatz arbeitet stattdessen mit einer attraktiveren Produktpräsentation oder einer optimierten Angebotsauswahl. Eine Übersicht über verschiedene Nudging-Methoden ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt:

Nudging-Interventionen

Übersicht Nudging-Interventionen

Weitere Beispiele für Nudging in der Gesundheitsförderung sind z.B. „Payback-Systeme“ für Präventionsleistungen oder digitale Belohnungssysteme in Form von Gesundheits-Apps. Allen Methoden gleich ist das Ziel, Menschen möglichst niedrigschwellig zu gesundheitsförderlichem Verhalten zu animieren und automatisierte Verhaltensmuster mithilfe einfacher Handlungsalternativen zu durchbrechen.

Fazit

Gefahren

Doch stellt diese neue, unterschwellig agierende Methode eher einen Fluch oder einen Segen dar? Birgt das Konzept des Nudgings nicht auch Gefahren, wie die der kontrollierten Manipulation durch die Initiatoren einer Verhaltensänderung oder eine damit einhergehende, freiheitseinschränkende Wirkung? Die Entscheidungsträger fungieren im Rahmen des Nudgings als „Auswahlarchitekten“ und kreiren Kontexte, Inhalte und Prozesse auf Basis ihrer eigenen Vorstellungen. Da individuelle Entscheidungen und Handlungen dadurch weitgehend unbemerkt gelenkt werden, ist dementsprechend wenig Widerstand aus der Bevölkerung zu erwarten.

Chancen

Demgegenüber steht jedoch der positive Grundgedanke des Nudging-Ansatzes in der Primärprävention, mit dem vordergründigen Ziel der öffentlichen Gesundheitsförderung. Es wird weniger das Ziel einer willkürlichen Manipulation, als das sanfte Anstupsen in eine bestimmte, gesündere Richtung verfolgt. Öffentliche Debatten über die verfolgten Ziele und angewendeten Nudging-Techniken erhöhen die Transparenz und können die allgemeine Akzeptanz steigern. Damit einhergeht eine Stärkung der Ressourcen (Wissen, Fähigkeiten) des Einzelnen, um selbstbestimmte, „gesunde“ Entscheidungen treffen zu können. Richtig angewendet bietet der auf psychologischen und verhaltensökonomischen Erkenntnissen beruhende Nudging-Ansatz somit ein innovatives Potential zur Ergänzung klassischer Instrumente der Prävention.

 

Auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement können Nudging-Methoden zum Einsatz kommen. Wenn Sie Fragen zu unseren Maßnahmen beim DiBGM haben oder sich für ein konkretes Angebot interessieren, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf. Wir beraten Sie gerne und finden eine individuelle Lösung für Sie.

 

Quellen

Krisam, M. et al. Nudging in der Primärprävention: Eine Übersicht und Perspektiven für Deutschland, in: Gesundheitswesen 2017; 79: S.117-123.

Hollands et al. Altering micro-environments to change population health behaviour: Towards an evidence base for choice architecture interventions, in: BMC Public Health 2013; 13: 1218.

Stefan Piasecki: „Schubs mich nicht! Nudging als politisches Gestaltungsmittel“, in: Bundeszentrale für politische Bildung, unter: https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/258946/schubs-mich-nicht-nudging-als-politisches-gestaltungsmittel (2017).

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